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Claus Efland
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Zehn Arten, einen Traum zu beschreiben
Der Dirigent Claus Efland

EINS
Jan Thornberg, der verantwortliche Redakteur und Moderator der Sendung „Musik aus der Szene“ im Dänischen Rundfunk staunt nicht schlecht über den Anruf, der an diesem Junimorgen 1985 bei ihm eingeht. Eben hat er die Hörer seiner Sendung eingeladen, einen Musikwunsch per Telefon bei ihm anzumelden, als sich prompt jemand Albert Lortzings Oper „Zar und Zimmermann“ wünscht, und zwar jene Szene, in der inkompetente Bürgermeister van Bett einen Chor einstudieren will, mit dem der Zar in der Stadt empfangen werden soll. Aber der Anrufer geht noch weiter und Thornberg glaubt seinen Ohren nicht zu trauen: am anderen Ende der Leitung ist ein Kind, ein Junge, der sich die Szene in der Besetzung mit Karl Ridderbusch als van Bett und dem Dirigenten Hans Wallat wünscht. Ungläubig fragt der Moderator: „Und du bist wie alt...?“

Claus Efland ist zu dieser Zeit 11 Jahre alt, Lortzings Meisterwerk allerdings kennt er schon länger. Der kleine Claus nämlich hört, wenn er aus der Schule kommt, regelmäßig klassische Musik im Radio. Und wenn ihm gefällt, was er hört, drückt er die Aufnahmetaste seines Kassettenrecorders. So auch an jenem Tag, als er im Radio zum ersten Mal Albert Lortzing hört – es ist die besagte Szene mit Karl Ridderbusch und Hans Wallat. Dummerweise drückt er zu spät auf „Start“. Und so oft fortan die Szene im Kassettenrecorder läuft – und sie läuft sehr oft –  ist sie unvollkommen. 

Jan Thornberg jedenfalls telefoniert nun mit dem Hause Efland – man wolle gern ein Interview mit dem Knaben. Das Gespräch findet tatsächlich statt und wird live im Dänischen Rundfunk gesendet, was nicht ohne Folgen bleibt. Erstens kann in Dänemark jeder hören, daß Kinder gar nicht nur auf Fußball oder Puppen stehen. Zweitens bekommt der Junge endlich den kompletten Ausschnitt von „Zar und Zimmermann“ mit Karl Ridderbusch und Hans Wallat für seinen Kassettenrecorder. Und drittens weiß Claus Efland spätestens jetzt, daß ihn sein Weg nur in Richtung Musik führen kann! 
Die Sendung gibt es übrigens nicht mehr und auch zu dem Moderator besteht kein Kontakt mehr. Schade, es hätte ihn wahrscheinlich gefreut, zu erleben, dass aus diesem Elfjährigen inzwischen ein anerkannter, international arbeitender Dirigent geworden ist.

ZWEI
Hatte der Junge damals schon den Plan, einmal Dirigent zu werden? Ja, natürlich, wo er doch schon mit zwei Jahren klassische Musik hört. Denken wir jetzt mal wie Jan Thornberg und fragen: Woher kommt dieses frühe Interesse? Wächst der Junge in einem besonders musikalischen Elternhaus auf? Nein, aber alles beginnt mit einem Komponisten namens Johann Strauß und hat zudem direkt mit dem Geburtsdatum Claus Eflands zu tun. Klassikfreunde wissen um das mediale Großereignis, das an diesem Tage, dem 1. Januar, weltweit übertragen wird, von den sechziger Jahren bis heute: das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Auch bei der Familie Efland wird regelmäßig am Neujahrsvormittag der Fernseher angeschaltet. Claus Efland hat noch genaue Erinnerungen. Die herrlich schmissigen und zugleich majestätischen Walzer, die großartigen Wiener Philharmoniker, der Dirigent Willi Boskowsky, der auch als Stehgeiger spielt. Der Goldene Saal des Wiener Musikvereins mit seinem Blumenschmuck fasziniert den Jungen seit frühester Kindheit so sehr, daß er diesen Saal mit Legobausteinen nachbaut. Auch zu dirigieren beginnt Claus Efland sehr früh – nach Plattenaufnahmen und in einer eigens dafür eingerichteten Ecke im Wohnzimmer. Die Eltern akzeptieren es stillschweigend. Sie gehen davon aus, daß es sich dabei nur um eine Phase ihres jüngsten Sprosses handeln kann, die auch wieder vorüber gehen würde. Sie haben sich, wie wir heute wissen, geirrt.

DREI
1984 wird Claus Efland in einem Knabenchor der Kirche von Assens aufgenommen, eine kleine Stadt auf Fünen. Und weil der Chorleiter die Begabung des Jungen früh bemerkt, beginnt er, ihn zu fördern. Das Wichtigste für einen Dirigenten sei es, daß er ein Instrument spielen könne. Sehr schnell fällt die Wahl auf die Geige. Also bekommt Claus Geigenunterricht - zunächst bei einem lokalen Dorfmusiker. Später wechselt er zu Marianne Granvig, einer in Dänemark sehr bekannten Geigenlehrerin, die ihn dann bis zur Hochschule begleitet und auf das Studium vorbereitet, das Claus Efland 1995 an der Hochschule für Musik in Odense beginnt. Zwei Jahre später wechselt er nach Kopenhagen, zu Professor Peder Elbæk, der zuvor ebenfalls in Odense unterrichtet hatte. Und immer noch steht für Claus fest: er würde Dirigent werden. 
Die Eltern unterstützen die Berufswahl ihres Sohnes vorbehaltlos. Nie hört er von ihnen diesen Satz, wie er so oft in Künstlerbiografien auftaucht: „Junge, lern‘ erst mal einen ordentlichen Beruf!“. Im Gegenteil - sie kaufen ihm seine erste „richtige“ Geige. Er hat diese Geige heute noch. 

VIER
Seine zweite „richtige“ Geige, auf der er später spielt, wird die „Geigenliebe seines Lebens“. Claus lernt sie während des Studiums in Odense kennen. Peder Elbæk macht ihn auf ein Instrument aufmerksam, mit dem es eine besondere Bewandtnis hat. Die Hochschule in Odense wurde seinerzeit von Carl Nielsen mitbegründet. Carl Nielsen war, bevor er Komponist wurde, Geiger in der Königlichen Kapelle in Kopenhagen und als solcher im Besitz eines besonders schönen Instruments des Geigenbauers Stefano Scarampella, dessen runder, warmer Ton Nielsen zweifellos auch in seinen Vorstellungen vom Streicherklang seiner Sinfonien vorschwebte.
Nach seinem Tod geht Nielsens Geige in den Besitz der Hochschule über, wo sie, warum auch immer, schlichtweg in Vergessenheit gerät. Beschädigt und in schlechtem Zustand liegt sie jahrelang in einer Kammer herum. Peder Elbæk jedoch weiß von der „Scarampella“ und rät Claus, sich um das Instrument zu bewerben. Und tatsächlich erhält er den Zuschlag. Nun wird die Geige endlich restauriert. Claus Efland erinnert sich noch an diesen Tag, da er nach Kopenhagen fuhr, um das Instrument abzuholen. Er weiß noch, wie er die renommierte Geigenbauerwerkstatt in der Kopenhagener Altstadt betritt, wie der Meister ihm den neuen schwarzen Kasten überreicht und sagt: „Nielsens Geige - da ist sie wieder!“.

Natürlich will Professor Elbæk das Instrument sehen. Ihm steigen die Tränen in die Augen, als Claus die Geige auspackt. Schließlich bittet Elbæk, ihm darauf vorzuspielen. „Was für ein Klang!“, ruft er wieder und wieder aus. Mit jedem Tag, den Claus Efland von nun an darauf spielt, kehrt ihr Klang zurück, wird größer und wärmer. Oft spielt er Nielsens zweite Violinsonate im Konzert, von der er sicher ist, daß Nielsen sie eigens für dieses Instrument komponierte! Drei Jahre darf Claus Efland die „Scarampella“ spielen – als er 2000 mit dem Studium fertig ist, muß er das Instrument zurückgeben. Er hat es seitdem nicht mehr gehört.

FÜNF
Farewell Scarampella! Farewell Odense!

Claus Efland will nach London, um endlich das Dirigieren zu studieren. Bereits während seines Studiums in Dänemark fährt er an die Themse, um herauszufinden, ob er dort seinen Traum verwirklichen kann. Er geht ins Royal College of Music. Er will die Bedingungen kennenlernen. Und wieder kommt er zur richtigen Zeit. Just an diesem Tag, arbeitet Professor Neil Thomson mit dem Hochschulorchester gerade an Tschaikowskys 5. Sinfonie. Claus, der sich hinter das Orchester setzt und die Probe aus dessen Perspektive erlebt, ist begeistert. Ein Hochschulorchester von solcher Größe und vor allem von solchem Niveau kennt er aus Dänemark nicht. Hier, so empfindet er das, wird auf dem Niveau eines erstklassigen, professionellen Orchesters musiziert. Auch wie Neil Thomson mit dem Orchester arbeitet, beeindruckt ihn. Nach der Probe geht er zu Neil Thomson, der ihn einlädt, beim nachfolgenden Einzelunterricht dabei zu sein. 

Claus bleibt eine Woche in London und weiß danach, daß er auch die nächsten Jahre hier verbringen will. Er bewirbt sich um ein Dirigierstudium am Royal College of Music. Ein guter Ort, findet er, zumal sich dessen Klang mit Namen wie Sir Adrian Boult, Sir Colin Davis oder Sir Simon Rattle verbindet – einem von ihnen soll später noch eine besondere Bedeutung für Claus Efland zukommen.
Es ist schließlich Neil Thomson, der ihm rät, sich am Royal College zu bewerben und der ihn für die Aufnahmeprüfung im Februar 2000 vorbereitet. Sie ist umfangreich und intensiv  - was Claus zu diesem Zeitpunkt nicht ahnt: außer ihm stehen in diesem Jahr über 120 Bewerber vor der Tür. Er weiß auch nicht, daß davon nur acht zur Aufnahmeprüfung eingeladen wurden. Was er noch am Nachmittag desselben Tages erfährt ist, daß nur einer zum Studium aufgenommen wurde: Claus Efland. Wie er sagt: „Ein Glücksmoment!“
Und so zieht Claus Efland am 1. September 2000 wieder einmal um – diesmal an die Themse. 

Farewell Denmark!

SECHS
Welcome to England! 

Am Royal College of Music sind es vor allem drei Lehrer, die ihn von nun an auf seinem Weg begleiten: John Carewe, Neil Thomson und Edwin Roxburgh. Bei ihnen lernt er in konzentrierter Form Dinge, die man für selbstverständlich halten sollte und die ihm doch erst hier richtig bewußt werden. Daß jeder Ton in der Partitur eine Funktion hat, die man benennen können muß, lernt er von John Carewe. Wie man dem Orchester mit den Händen zeigt, was man will, ohne den Mund, bringt ihm Neil Thomson jetzt richtig bei, dessen Schwerpunkt beim Dirigieren auf der Schlagtechnik liegt. 
Claus erinnert sich noch gut an die erste Unterrichtsstunde bei Neil Thomson. Franz Schuberts „Unvollendete Sinfonie“? Also gut, welchen Klang möchte ich als Dirigent haben? Die genaue eigene Vorstellung davon muß klar sein, ohne Klavier und ohne Schallplattenaufnahme. Der Dritte, Edwin Roxburgh, seines Zeichens Komponist und Dirigent, unterrichtet Claus vor allem im Umgang mit zeitgenössischer Musik. Daß er sich die Lehrer nur noch mit zwei weiteren Studenten des vorherigen Jahrganges teilen muß, hat natürlich eine intensive Ausbildung zur Folge. Auch und gerade die andernorts knapp bemessene Zeit für die Arbeit mit dem Hochschulorchester fällt besonders üppig aus. Fast täglich steht Claus Efland also vor einem großen Orchester. Von Anfang an kommt er mit den ganz großen Werken in Berührung und hat Gelegenheit, sie unter echten Bedingungen zu proben. 
Zudem geben sich am Royal College regelmäßig prominente Gäste zum Unterrichten die Klinke in die Hand: Charles Mackerras, Bernard Haitink, Vladimir Ashkenazy, Lorin Maazel, Colin Davis, Simon Rattle, Daniele Gatti und viele andere. Optimale Bedingungen, musikalische Reife durch praktisches Erfahren zu erlangen. Und wie das in der Erfahrung von Claus Efland bisher nicht anders war – auch diese Begegnungen bleiben für ihn nicht ohne Folgen. Die Weichen sind schon gestellt. Sehr schnell wird klar, daß sein Weg ihn früher oder später wieder aus London herausführen wird...

SIEBEN
... nach Dresden, wo Sir Colin Davis 2003 einen Meisterkurs abhält. Der bestandenen Aufnahmeprüfung, eine 15 minütige Probe mit dem Hochschulorchester für Dvoraks 7. Sinfonie, folgt eine Woche gemeinsamer Arbeit mit Colin Davis. Nicht nur, daß Claus Efland in dieser Woche sehr viel gelernt hat – aus ihr erwächst am Ende das Angebot, als Assistent des Maestros von London nach Dresden zu gehen, der dort die Sächsische Staatskapelle leitet. Ein großer und wichtiger Schritt – aus London heraus. Das wichtigste an dem Assistentenjob ist für Claus die Möglichkeit, große Partituren gemeinsam zu erarbeiten - Colin Davis nimmt sich immer die Zeit dafür. Dass er später seine Tätigkeit in Dresden reduziert und die Assistenztätigkeit damit für Claus Efland endet, schafft Zeit und Raum für neue Schritte.         

ACHT
2004 nimmt Claus Efland am renommierten Donatella-Flick-Wettbewerb in London teil und erringt dort den 2. Preis. Ganz abgesehen davon, daß er ihn aus den Händen von Prince Charles entgegennimmt und Claus obendrein das London Symphony Orchestra dirigieren darf, wird der Preis einiges in seinem Leben verändern. Und es wird, wie so oft mit einem Anruf beginnen. 

NEUN
Der erreicht Claus Efland aus Leicester. Das Bardi Symphony Orchestra fragt an, ob er nicht Lust und Zeit hätte, zwei Konzerte zu dirigieren: Die „Scheherazade“ von Rimsky-Korsakow. 
Ein verlockendes Angebot und Claus Efland nimmt es an. Daß beide Konzerte außerordentlich erfolgreich verlaufen, ist umso bedeutender, als daß sich das Orchester in einer Krise befindet. Ganz offensichtlich aber ist Claus Efland jemand, der frischen Wind hinein bringen kann. Die nächsten Einladungen lassen nicht lange auf sich warten. Carl Orffs „Carmina Burana“ mit insgesamt 500 Mitwirkenden auf der Bühne, davon 400 im Chor,  die „Alpensinfonie“ von Richard Strauss - alle Konzerte laufen mit großem Erfolg, und so ist es nur folgerichtig, daß das Orchester Claus Efland 2008 zu seinem Chefdirigenten wählte. Seither hört man in Leicester Konzerte, die Aufsehen erregen, beim Publikum – und beim Orchester. Erstmalig spielt es Carl Nielsen. Claus Efland setzt dessen zweite und vierte Sinfonie auf den Konzertplan.

Eine Konstante. Die Arbeit als Chefdirigent prägt Claus Efland seither, denn nun trägt er Verantwortung für alles, vom Spielplan bis hin zur Entwicklung des Orchesters. Aber er kennt den Unterschied zu einem Gastdirigenten auch sehr gut, denn er wird inzwischen von Orchestern aus aller Welt eingeladen, von Dänemark über England und Italien, bis nach Argentinien und Mexiko.  Neu für ihn ist auch diese Erfahrung: Exklusivkünstler einer Schallplattenfirma zu sein. bei Challenge Records. Wieder ein Schritt weiter, denn nun werden gleich mehrere Alben veröffentlicht, auf denen er die Sinfonietta Riga dirigiert. 

ZEHN
Bei aller Veränderung – an der Art, seinen Geburtstag zu begehen, hat Claus Efland wenig geändert. Noch immer wird am 1. Januar eines jeden Jahres der Fernseher angeschaltet, wenn das Neujahrkonzert der Wiener Philharmoniker übertragen wird. 
Zwischenzeitlich allerdings musste er sich recht lange mit der Aufzeichnung des Events begnügen, weil er selbst verhindert war. Der Grund – und hier schließt sich der Kreis – ist bezeichnend: acht Jahren in Folge dirigierte er eine Serie von jeweils zehn (ausverkauften) Neujahrskonzerten mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg im Berliner Konzerthaus. 

Jan Thornberg aus Kopenhagen hätte nicht schlecht gestaunt, ihn dabei zu erleben.

©  Thomas Otto  
 

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